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Leseprobe

Awards & Fellowships
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Prolog

Zürich, 1990

Henry

»Was für ein Hundewetter aber auch«, fluchte Henry Wagner, als er aus seinem Haus trat. Der Fußweg zur Arbeit war nicht weit, aber bei diesem Regen konnte selbst der große Schirm, den er mitgenommen hatte, nicht viel ausrichten. 

Bereits nach wenigen Metern klebte der Bund seiner Bügelfaltenhose an seinen Beinen und die Socken in seinen italienischen Lederschuhen hatten sich an seinen Füßen festgesaugt. Henry begann zu frösteln. 

Und damit muss ich nun den ganzen Tag lang arbeiten! Als Bankberater kann ich schlecht die Strümpfe zum Trocknen über die Heizung hängen und meine Kunden in Anzug und Sandalen begrüßen! 

»Wenn nur der Wind nicht so eisig wäre!«, entfuhr es ihm, während er mit einer Hand sein Gesicht in dem Aufschlag des warmen Wollmantels verbarg und er sich, mit der anderen im Griff des Regenschirms verkrallt, gegen den peitschenden Regen vorankämpfte.

 

Die dünnen Metallspeichen des Schirms verbogen sich gefährlich, hielten jedoch der Attacke des Windes stand. Das Laub hing auf dem vom Regen glänzend gewaschenen Bürgersteig fest, während das Wasser sich seinen Weg durch Dachrinnen hin zu den übersprudelnden Abwasserkanälen suchte. Henry lief auf einen Fußgängerüberweg zu und sah eine junge Frau, die es gerade noch schlimmer erwischte als ihn. Sie hatte nichts, was den Regen abhalten konnte. Ihre dünne Lederjacke triefte vor Nässe genauso wie ihre schwarzen Locken. 

»Ich wollte hier keine Wurzeln schlagen, du elende Ampel!«, hörte Henry sie schimpfen. Die Art und Weise, wie sie vor sich hin fluchte und die Ampel mit Blicken tötete, machte sie für Henry auf Anhieb sympathisch. Er konnte einfach nicht widerstehen, er hielt den Regenschirm über sich und den nassen Lockenkopf der jungen Frau. 

Sie schaute verdutzt nach oben. Sie schien sich zu wundern, warum es rund um sie herum noch regnete, aber das Wasser nicht mehr auf sie einprasselte.  

Ihre Blicke trafen sich und sie schenkte ihm das schönste Lächeln, das er je gesehen hatte. Hätte jeder Mensch solche Zähne wären Zahnärzte arbeitslos, dachte Henry. Ihre Wangen hatten die Farbe von reifen Sommeräpfeln und ihre Augen strahlten ihn dankbar an. 

»Vielen Dank, dass Sie Ihren Regenschirm mit mir teilen. Darf ich wissen, welch edler Ritter mich hier todesmutig vor den Himmelsfluten gerettet hat?«, sagte sie, während sie einen kleinen Knicks andeutete. 

»Ach nein, kein Ritter, ich bin nur ein kleiner Bankangestellter. Henry Wagner mein Name, sehr erfreut. Ich konnte einfach nicht zusehen, wie Sie sich hier den Tod holen.« 

Die Frau reichte Henry die Hand: »Giovanna Ricca, auch bekannt als die junge Dame, die heute Morgen zu faul war, einen Regenschirm mitzunehmen. Oh, es ist grün, wollen wir dann mal?« 

Sie hakte sich bei Henry unter, während sie die Straße überquerten. Eine wohlige Wärme machte sich in seinem Bauch breit.  

»Das trifft sich gut, dass Sie Bankangestellter sind. Ich bin gerade auf dem Weg zur Stadtbank am Paradeplatz. Vielleicht können Sie mir ein paar Tipps verraten, wie ich die Bank überzeuge, mir ein kleines Darlehen zu gewähren?« 

Henry horchte auf.  

»Zufälligerweise arbeite ich bei der Stadtbank. Haben Sie einen Termin vereinbart?« 

»Nein, muss man das denn für ein Darlehen?« 

»Eigentlich schon, aber heute ist Ihr Glückstag. Zufälligerweise ist mein Terminkalender heute Morgen frei, also kann ich mich Ihrer Sache mit dem Darlehen gerne persönlich annehmen«, erwiderte Henry stolz.  

»Das ist ja nett von Ihnen!«  

Giovanna schien begeistert und Henry beobachtete fasziniert die Grübchen, die jedes Mal sichtbar wurden, wenn sie lächelte. 

»Keine Ursache.« 

Solange sie so lächelte und strahlte, hätte er auch gerne seine private Zeit für sie geopfert. 

Einige Minuten später betrat Henry zusammen mit Giovanna sein Büro. Er ließ sie Platz nehmen und gab seiner herbeigerufenen Assistentin Anweisungen: 

»Marietta, könnten Sie uns bitte zwei Tassen Kaffee in mein Büro bringen? Und wenn Sie irgendwo noch ein sauberes Handtuch für meine Kundin auftreiben könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.« 

Marietta nickte und verschwand wieder. Kaum hatte Giovanna ihre durchnässte Lederjacke ausgezogen, beanspruchte das blumige Bouquet ihres Duftes den Raum für sich. Henry versuchte, ihn zu ignorieren und den Arbeitstag so normal wie möglich zu beginnen, indem er seinen Computer und seine Stereoanlage einschaltete, Schreibblock, Taschenrechner und Stifte richtete. 

Ein trauriges und langsames Klavierstück erfüllte das Büro.  

»Mögen Sie Musik?«, wollte Henry von Giovanna wissen, die ihre Augen geschlossen hielt und das Stück sichtlich genoss.  

»Ja. Wie kann man Musik nicht mögen? Wobei ich für gewöhnlich keine Klassik höre. Was ist das für ein Stück? Es ist wunderbar.« 

»Die Mondscheinsonate von Beethoven. Ein außergewöhnliches Stück. Ich liebe es, während meiner Beratungsgespräche klassische Musik zu hören. Es entspannt mich und fördert meine Konzentration. Es sei denn, es stört meine Kunden, dann schalte ich die Musik natürlich aus.« 

Giovanna öffnete ihre Augen wieder. »Nein, lassen Sie es gerne weiterlaufen. Es gefällt mir.« 

Giovannas Hand griff nach seiner. Sie fühlte sich eiskalt an, während er in seiner Magengegend ein seltsames Kitzeln empfand, das er sonst nur vom Achterbahnfahren kannte. Er vernahm das Geräusch klackernder Absätze, Giovanna zog ihre Hand rasch zurück und wenige Sekunden später stellte Marietta zwei Tassen Kaffee auf den Schreibtisch. Giovanna drückte sie ein Handtuch in die Hand, und die junge Frau fing sogleich an, ihre Locken damit trocken zu tupfen.  

Henry räusperte sich und versuchte wieder, der professionelle Kundenberater zu sein, der er sonst war. 

Er starrte auf den Bildschirm seines Computers, als würde er dort die Antwort darauf finden, was da gerade in ihm vorging. 

»Also, Frau Ricca, wofür benötigen Sie ein Darlehen? Möchten Sie sich Ihr erstes Auto kaufen? Oder darf es sogar schon eine eigene Wohnung sein?« 

Giovanna nahm die Tasse in ihre beiden Hände, als würde sie sich daran festhalten wollen und schlürfte vorsichtig vom Wachmacher, bevor sie Henry antwortete: 

»Nein, ich möchte gerne ein Jahr in Irland studieren. Das Stipendium haben leider andere Studenten bekommen und meine Eltern können mich bei dem Auslandsjahr nicht finanziell unterstützen.« 

»So, so eine Studentin«, stellte Henry wohlwollend fest, »was studieren Sie denn?« 

»Englisch und Literatur.« 

Das passt perfekt zu Ihnen, hätte Henry am liebsten ausgerufen, doch er besann sich eines Besseren und antwortete stattdessen: »Wir haben doch fantastische Universitäten von Weltrang hier in Zürich, weshalb zieht es Sie ausgerechnet nach Irland? Herrscht da nicht gerade dieser Nordirland-Konflikt?« 

Giovanna krallte sich noch fester an ihre Tasse. Sie erinnerte ihn an eine Ertrinkende an einem Rettungsring. 

»Ja, doch, aber na ja, Sie wissen schon. Auf den Spuren irischer Dichter unterwegs sein. Schlösser und Meer, soweit das Auge reicht. Grüne Landschaften mit Schafen. Englische Konversation betreiben.« 

Wort für Wort konnte Henry Begeisterung und Träumerei in Giovannas Augen lesen, doch in seinem Kopf führte er die Liste einfach weiter: Pubtouren mit Livemusik. Mit irgendeinem gutaussehenden Musiker im Bett landen und sich schwängern lassen. Heiraten und für immer in Irland bleiben. Ungewollt musste er schlucken. Nach außen hin blieb er kompetent und emotionslos, während in ihm Kriege gefochten wurden.  

»Ich verstehe. Na, dann wollen wir einmal schauen, was ich für Sie tun kann.« 

Henry überprüfte Giovannas mickrige Ersparnisse und noch mickrigere Garantien. In seiner Karriere hatte er durchaus verzweifeltere Fälle gesehen, bei denen er Kunden im Namen der Bank Geld geliehen und nicht gewusst hatte, ob sie es je wiedersehen würden. Wenn er nur wollte, konnte er. Wenn er denn wollte. Giovannas Lächeln wirkte auf Henry freundlich, aber unsicher, während er einige Zahlen in seinen Taschenrechner tippte. Er rang mit sich. Sollte er dieser schönen jungen Frau wirklich das Darlehen geben und zusehen, wie sie, kaum dass er sie kennengelernt hatte, wieder aus seinem Leben verschwand?  

Andererseits: Sollte er ihr das Darlehen verweigern und ihr vielleicht so Zukunftschancen verbauen? 

»Können Sie einige Minuten draußen warten, während ich mit meinem Vorgesetzten telefoniere?«, bat Henry sie. 

»Natürlich«, antwortete Giovanna und verließ den Raum, der immer noch nach ihrem Parfum roch.  

Statt mit seinem Vorgesetzten diesen Härtefall zu eruieren, starrte Henry minutenlang auf Giovannas noch volle Kaffeetasse, auf der sie einen roten Lippenstiftabdruck hinterlassen hatte.  

Beethovens Meisterwerk war schon lange verklungen, als Henry endlich eine Entscheidung traf und Giovanna wieder in sein Büro hineinbat. 

Kapitel 1

September, 2016

Giovanna

Education
Teaching
Publication

Giovanna musste schmunzeln. Ihre Tochter Ophelia rutschte auf dem Rücksitz hin und her.  

»Mama, Papa, ich bin so aufgeregt. Ich bin so aufgeregt! Was mache ich, wenn die Stevens mich nicht mögen? Wenn ihre Kinder unausstehlich sind?« 

Während der ganzen Fahrt zum Flughafen hatte Ophelia ununterbrochen geplappert und Horrorszenarien zum Besten gegeben.  

»Es wird schon alles gut werden«, brummte Henry vor sich hin, während er den Wagen im Flughafenparkhaus einparkte und den Motor abstellte. 

Giovanna versuchte, mehr sich selbst als ihre Tochter zu beruhigen, als sie sagte: »Wir haben die Familie Stevens in der besten Au-Pair-Agentur der Stadt ausgesucht, mehrmals mit ihnen telefoniert und geschrieben. Sie haben einen einwandfreien Leumund und du fandest ihre Kinder doch reizend, weißt du noch?« 

»Ja, ich weiß«, antwortete Ophelia, während sie ihre Reisetaschen auf einen Gepäckwagen hievte, den Henry besorgt hatte, »aber ich habe von schrecklichen Geschichten gehört, bei denen Au-Pairs als Putzfrauen missbraucht wurden und …« 

Henry unterbrach sie: »Jetzt genug der Schwarzmalerei. Deine Mutter wollte vor über 20 Jahren auch gerne ein Austauschjahr in Irland machen, hatte aber keine finanziellen Mittel dafür.« 

»Wenigstens habe ich stattdessen einen Ehemann bekommen!«, zwinkerte Giovanna Henry zu. 

Henry lächelte: »Na immerhin!« 

Er nahm Ophelias Hände in seine: »Ophi, du wolltest dieses Jahr in den USA haben, damit du perfekt für dein Englischstudium vorbereitet bist. Du wolltest nach New England gehen, weil der Indian Summer dort so wunderschön ist, und wir haben es dir ermöglicht. Du wolltest eine nette Gastfamilie haben und noch genügend Zeit für deine Englischkurse. Ich bin mir sicher, Familie Stevens ist die Richtige für dich, wir haben sie haargenau unter die Lupe genommen. Die beste Familie ist gerade so gut genug für meine Tochter.« 

Giovanna sah, wie Henrys Augen feucht wurden. Sie konnte so viel Liebe aus ihnen herauslesen. 

»Nun mache das Beste aus der Möglichkeit, die wir dir geben und wenn es wirklich Probleme geben sollte, hole ich dich persönlich aus den USA wieder ab, Indianerehrenwort.« Henry fasste sich an die Brust und hob die Hand, als würde er einen Eid schwören. Giovanna lächelte und fühlte sich durch Henrys Worte etwas beruhigter, während Ophelia nickte und ihren Gepäckwagen in Richtung Eingang schob. 

Im Flughafen war das übliche Treiben im Gange. Giovanna liebte es, die Passagiere zu beobachten und sich den Grund ihrer Reise zusammenzureimen. 

Während Ophelia kurz vor den Sicherheitskontrollen ihren Reisepass und ihre Bordkarte aus ihrer Tasche fischte, sah Giovanna, wie ein Pärchen sich weinend in den Armen lag und ein junger Mann von seinen Verwandten in einer fremden Sprache lautstark und mit Küssen und Umarmungen verabschiedet wurde.  

Jemanden lieben und von ihm Abschied nehmen bedarf keiner Übersetzung, es klingt in jeder Sprache gleich, dachte Giovanna mit einem Knoten im Hals und Tränen in den Augen, während sich Ophelia von Henry verabschiedete. 

»Pass gut auf dich auf, mein großes, kleines Mädchen. Melde dich regelmäßig, heute haben wir ja alle denkbaren Kommunikationsmöglichkeiten«, sagte Henry und strich seiner Tochter über die Locken. 

»Ich werde dich stolz machen, Mama, indem ich irgendwann eine noch bessere Englischlehrerin werde, als du es bist«, versprach Ophelia Giovanna, als sie an der Reihe war. 

Giovanna atmete den Duft von Ophelias Haaren ein und versuchte, diesen Augenblick festzuhalten. 

»Du hast mich immer nur stolz gemacht, mein Kind. Lerne viel, finde neue Freunde und lass auch den Spaß nicht zu kurz kommen. Und komme gesund wieder zu uns zurück. Ich liebe dich.« 

»Ja, das verspreche ich dir. Ich liebe dich auch, Mama.« 

Ophelia scannte ihre Bordkarte ein und ging durch die elektronische Schleuse.  

Ein paar Minuten blieben Henry und Giovanna stehen und winkten Ophelia zu, bis sie sie nicht mehr sehen konnten. 

»Komm, es ist Zeit. Du weißt ja, wie unverschämt teuer das Parkhaus hier ist«, drängte Henry Giovanna. 

Im Wagen fummelte Henry am Radio herum, bevor er losfuhr: 

»So, neumodisches Gedudel aus, Klassik an!« 

Sogleich erklang Beethovens Mondscheinsonate. Das gefühlvolle Stück passte zum Abschied von ihrer Tochter, aber unweigerlich musste Giovanna daran denken, wie sie Henry kennengelernt hatte. Sie hatte ihr jüngeres Ich vor Augen, durchnässt bis auf die Unterwäsche, voller Hoffnungen und Wünschen, die Henry innerhalb von Sekunden zerstört hatte: 

»Ich habe mit meinem Vorgesetzten telefoniert, bedauerlicherweise ist hier nichts zu machen. Wir können Ihnen leider kein Darlehen für Ihr Auslandsjahr in Irland geben.« 

Henrys Worte schlugen ihr wie eine Faust in den Magen. Verzweifelt versuchte sie Argumente vorzubringen: »Ich weiß, auf dem Sparbuch ist nicht viel, aber ich werde mir in Irland einen kleinen Nebenjob suchen und jeden Monat den Kredit abbezahlen, ehrlich!» 

Henry presste die Lippen aufeinander und schüttelte mit dem Kopf. 

»Gut, dann spreche ich mit einer anderen Bank, Sie sind ja nicht die Einzige hier in Zürich«, sagte Giovanna trotzig. 

»Das stimmt natürlich, aber ich rate Ihnen davon ab. Die Stadtbank ist bereits die kulanteste Bank auf dem Markt, mit den anderen Banken würden Sie nur Ihre Zeit verschwenden.« 

Wieder machte dieser Kundenberater Giovannas Hoffnung zunichte, dabei konnte sie ihm nicht einmal böse sein, sie wusste ja, dass ihre finanzielle Situation nicht gut war. Giovanna dachte an die Worte ihrer Eltern. Das wird sowieso nichts! Schlag es dir aus dem Kopf! Sie konnte sich schon vorstellen was sie sagen würden, wenn sie nach Hause kam: Wir hatten es dir ja gleich gesagt! 

Giovanna konnte die Tränen der Wut und Enttäuschung nicht zurückhalten. Sofort zückte Herr Wagner ein Taschentuch und reichte es ihr. 

»Was ist denn an unseren Universitäten hier in Zürich nicht gut?«, fragte er sanft. 

Oh nein wie peinlich, jetzt heulst du auch noch vor ihm wie ein kleines Mädchen, dachte Giovanna und trocknete rasch ihre Tränen. 

»Mit den Unis hier ist alles bestens, aber seitdem ich denken kann möchte ich nach Irland! Die grünen Landschaften mit meinen eigenen Augen sehen!« 

Beruhigend tätschelte er ihre Hand: »Ich bin mir sicher, Sie werden nach Ihrem Studium einen guten Job finden und dann werden Sie sich diesen Traum von der Reise nach Irland verwirklichen können und zwar ganz ohne unsere Hilfe.« 

Ein kleiner Lichtschimmer am Ende des Tunnels. 

»Denken Sie das wirklich?« 

»Da habe ich keine Zweifel!« 

Giovanna beruhigte sich, die Tränen versiegten. Seine Hand lag noch immer auf ihrer und sie fand es nicht unangenehm.  

Er zeigte auf ihre noch volle Tasse. 

»Darf ich Sie zum Trost auf einen guten Kaffee einladen? Ich fürchte, Marietta kann mit unserer alten Kaffeemaschine einfach nichts Besseres hinbekommen.« 

Warum eigentlich nicht? Er ist sympathisch und gutaussehend.  

Es war nicht nur bei diesem Kaffee geblieben.  

So hatte ihre Liebesgeschichte begonnen. Mit einem abgelehnten Darlehen und einer starken Schulter zum Ausheulen.  

Das Hupen eines Autos brachte Giovanna wieder in die Gegenwart zurück.  

»Zu Hause wird es jetzt ziemlich still ohne Ophelia sein«, sagte Giovanna. 

»Hmmm«, brummte Henry. 

»Aber wer weiß, vielleicht erleben wir jetzt unseren zweiten Frühling. In letzter Zeit warst du immer bis spät im Büro oder wochenweise auf Konferenzen. Wir sollten mehr Zeit miteinander verbringen, ich kann mich gar nicht daran erinnern, wann wir das letzte Mal ausgegangen sind oder ein Wochenende in einem Wellnesshotel verbracht haben.« 

»So ist das nun einmal als Präsident der Stadtbank. Man muss rund um die Uhr arbeiten, präsent sein, Leistung erbringen. Wie sollten wir uns unser schönes Haus sonst leisten? Von deinem Lehrergehalt könnten wir höchstens die Garage abbezahlen.« 

Giovanna schmerzte diese Wahrheit.  

»Immerhin unterrichte ich am Gymnasium. Und du weißt, wie das ist. Mehr als Rektorin kann eine Lehrerin nicht werden, und bis Magda in Rente gehen wird, kann das noch Jahre dauern.« 

»Ich weiß, ich weiß«, beschwichtige Henry, »entschuldige, ich habe es nicht so gemeint.« 

Nachdem Henry das Tor zu ihrer eleganten Villa mit Garten geöffnet hatte, parkte er das Auto vor dem Haus. Im Wohnzimmer schimmerte Licht durch die Gardinen.  

»Seltsam, ich hatte doch alle Lichter gelöscht, bevor wir Ophi zum Flughafen gefahren haben.« 

Henry hielt das Lenkrad so verkrampft fest, dass die Knöchel ganz weiß wurden. 

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